Premierengeflüster #3
Das Stück Solo Sunny basiert auf dem gleichnamigen DEFA-Film aus dem Jahr 1980. Es geht um die schlagfertige Sunny, die als Schlagersängerin mit ihrer Band über die Dörfer tingelt und eigentlich hofft, dass ihr Talent erkannt wird und ihr die Menschen endlich zuhören. Sie sucht nach Anerkennung, nach Liebe, nach Zugehörigkeit. In dem DEFA-Kultfilm spielte Renate Krößner überzeugend die Hauptrolle. Nun spielt Julia Keiling die Sunny mit großer Freude: „Das ist spielerisch ein totaler Genuss!“
Julia, kanntest du den Film vor deiner Arbeit?
Ich kannte den Film vorher gar nicht. Ich habe ihn mir im Zuge der Produktion zum ersten Mal angeschaut und war total begeistert. Meine Wurzeln liegen ja auch in der DDR. Ich finde, da wird ein ganz tolles DDR-Bild gezeichnet. Der Film ist so rockig und dreckig und großartig gespielt, so dass ich sofort dachte: „Gott, wie die Krößner das macht, eigentlich will ich das auch so machen.“
Spielte es für dich eine Rolle den Film zu kennen?
Das ist eine Entscheidung. Manchmal gibt es Rollen, die schon oft gespielt wurden, da möchte ich eigentlich gar nicht wissen, was da schon gemacht wurde, um meinen ganz eigenen Zugang zu finden. Bei Solo Sunny war aber klar, dass es Leute geben wird, die den Film kennen und das Stück daran messen könnten.
Also hat es dir eher geholfen?
Ja, ich fand es total hilfreich, das Original zu kennen, weil ich die Grundenergie und die Klarheit, mit der Renate Krößner das gespielt hat, sofort mochte. Auch wenn es am Ende automatisch zu dem wird, wie ich es mache, weil ich es ja bin! Aber ich habe die Film-Sunny erstmal als Ausgangspunkt genommen, denn wenn etwas gut ist, dann muss man es ja nicht mit Absicht anders machen.
Mit der DDR verknüpfte Themen sind bis heute sensibel. Hast du im Team oder bei dir selbst Bedenken verspürt eine DDR-Verfilmung umzusetzen?
Den Gedanken, dass auch jemand etwas anderes erwarten könnte, gibt es immer. Aber unser Regisseur Sebastian Kreyer war da ziemlich angstfrei und hatte immer eine klare Vision davon, was er möchte. Er hat sich im Vorfeld mit dem Autor Wolfgang Kohlhaase getroffen und sich entschieden viele von den Szenen, vieles von der Essenz, wie sie im Film sind zu behalten. Zusätzlich gibt Sebastian Kreyer dem Ganzen eine Metaebene und so einen Witz, der das Stück ins Heute holt. Wir spielen also nicht einfach nur einen Film nach. Es ist definitiv was Eigenes und dennoch finde ich, dass die Inszenierung dem Film mit Respekt begegnet.
Du hast gerade erwähnt, dass Regisseur Sebastian Kreyer das Stück durch seine Inszenierung auch ins Heute holt…
Sunny hat einen Kindheitsstrauma-Rucksack auf, geht aber durch diese ganzen Gefühle direkt durch und das fühlt sich total heutig an. Und auch, wenn das bei mir alles nicht so wie bei Sunny ist, beschäftigt sich das Stück mit wichtigen Fragen, die auch mich beschäftigen: Wie gehe ich mit meinen Gefühlen um? Wie sucht man nach Liebe und Sex, wenn man vielleicht mit sich selbst überfordert ist. Inwiefern kann ich mich mir selbst stellen? Das sind alles auch heutige Themen.
Die 70er-Jahre Sunny ist selbstbewusst und zäh und arbeitet sich an Klischees ihrer Zeit ab. Möchte sie eine ernstzunehmende Künstlerin sein, interessieren sich die männlichen Zuschauer eher für ihre Beine. Nun spielst du die Sunny. Was reizt dich?
Diese Direktheit die Sunny hat, ist für mich spielerisch ein totaler Genuss. Da ist so viel Spannendes an dieser Rolle: das Unangepasst sein oder das mit dem Leben hadern. Wie sie sich mit den eigenen Wünschen und Träumen auseinandersetzt. Fragen stellt: Warum stehe ich überhaupt auf der Bühne? Was habe ich für Träume, die vielleicht auch nicht in Erfüllung gehen?
Das klingt nicht nur nach selbstbewusst, zäh und unerschrocken…
Sie hat den Traum, etwas Eigenes zu machen. Auf der einen Seite ist sie stark, um ihre eigene Vision zu verfolgen und gleichzeitig hat sie aber total Angst davor. Angst vor den Leuten. Angst sich zu zeigen. Ich glaube, sie will erstmal geliebt sein, denn oft sagt sie: „Ich muss wissen, dass mich jemand haben will.“ Und das ist auf der Ebene von, dass das Publikum mich haben will, dass mich jemand in der Liebe haben will – und eigentlich müsste sie wahrscheinlich erstmal Selbstliebe üben.
Ist es das, was uns Sunny erzählt… dass wir alle auf der Suche sind?
Ich glaube, Sunny zeigt uns, dass wir alle Sehnsüchte haben und uns irgendwie durchs Leben kämpfen. Sie zeigt uns, dass das in Ordnung ist und zum Leben dazugehört. Wir sollten auch milde mit uns selbst sein und mit einem lächelnden Auge auf unser Leben schauen.
Gelingt es Sunny, milde mit sich selbst zu sein?
Um es mit Sunnys Worten zu sagen: „Es ist zu allgemein zu sagen, dass das Leben schwer ist, denn es ist ja auch ganz einfach. Ein glückliches Ende ist unser aller Hoffnung, dass das platt sein kann, ist kein Gegenargument.“
Das Interview führte Claudia Kottisch.
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